Verfassungsgericht hat Cannabisverbot auf der “ToDo-Liste 2022”

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat heute den Arbeitsplan für das laufende Jahr verkündet. Die “Jahresvorausschau 2022” des höchsten deutschen Gerichts war mit Spannung erwartet worden. Hintergrund ist die “Justizoffensive“, die der DHV 2019 in Zusammenarbeit mit Richter Andreas Müller gestartet hatte. Nun wurde die Hoffnung der Hanffreunde erfüllt. Das Gericht will sich mit vier Normenkontrollanträgen von drei Amtsgerichten befassen, die das Verbot von Cannabis für verfassungswidrig halten. Das könnte auch Auswirkungen auf die laufenden Legalize-Bemühungen der Ampel-Regierung haben.

Damit erreichen wir drei Jahre nach dem Start der Kampagne unser Ziel: das BVerfG befasst sich zum ersten Mal seit 1994 mit der Frage, ob das Verbot von Cannabis verfassungswidrig ist. Ob die Entscheidung für oder gegen die Legalisierung von Cannabis ausfallen wird, liegt nun in der Hand der Richter und ist schwer vorhersehbar. Viele der Richter am BVerfG sind in Regierungszeiten und auf Vorschlag von CDU/CSU ernannt worden. So auch die zuständige Richterin Dr. Kessal-Wulf. Doch das ist noch keine Vorentscheidung. Trotz konservativer Besetzung hat das BVerfG in der Vergangenheit immer wieder auch Urteile gegen die Merkel-Regierung gefällt.

Warum das Cannabisverbot nach unserer Auffassung gegen die verfassungsmäßigen Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit verstößt, erfahrt ihr kurz und übersichtlich auf unserer Kampagnenseite zur Justizoffensive oder in unserem kurzen “Erklär-Video“. Wesentlich ausführlichere juristische Begründungen findet ihr in unserer Mustervorlage und in dem auf dieser Grundlage weiterentwickelten konkreten Normenkontrollantrag von Richter Andreas Müller aus Bernau.

Außerdem findet ihr auf der Kampagnenseite Informationen zum BVerfG-Urteil von 1994 und zur Resolution deutscher Strafrechtsprofessoren, die schon 2013 eine grundsätzliche Überprüfung der repressiven Drogenpolitik in Deutschland gefordert hatten.

Im Rahmen der Kampagne hatte der DHV Anzeigen in diversen juristischen Fachzeitschriften gebucht, wie im Bild zu dieser Nachricht zu sehen ist.

Richter Müller hatte am 20.04.2020 als erster in zwei konkreten Fällen die Vorlage beim BVerfG beschlossen. Es folgten Normenkontrollanträge der Amtsgerichte Münster und Pasewalk. Seit fast zwei Jahren warten Hanffreunde auf die Ansage, wann das Gericht sich mit Cannabis befassen würde. Nun ist es wahrscheinlich, aber nicht sicher, dass dieses Jahr ein Urteil kommen wird.

Was bedeutet das für die Legalize-Diskussion der Ampel-Regierung?

Das kommt natürlich ganz darauf an, was die Richter beschließen. Wenn sie der Meinung sind, dass das Verbot von Cannabis in vollem Umfang verfassungswidrig ist, entsteht unmittelbarer Druck auf die Regierung, ein Legalisierungsgesetz vorzulegen. Der Verkauf von Cannabis wäre aber nach einem solchen Beschluss nicht automatisch mit sofortiger Wirkung erlaubt.

Falls die Richter keinen Änderungsbedarf in der Cannabispolitik sehen sollten, hieße das formal erstmal nur, dass der Schub des Gerichts für die Legalize-Pläne der Ampel-Regierung ausbliebe. Das wäre aber kein Hindernis, mit dem politischen Prozess fortzufahren. Allerdings könnten die Gegner der Legalisierung ein solches Urteil instrumentalisieren und behaupten, dass das BVerfG sich “gegen die Legalisierung gestellt” habe, oder “das Verbot bestätigt” habe. Genau so wurde auch das 1994er Urteil oft als verdrehtes Argument benutzt, so als sei die Legalisierung verfassungswidrig. Das ist zwar Unsinn, denn nur weil eine gesetzliche Regelung nicht gegen das Grundgesetz verstößt, ist sie noch lange nicht verfassungsrechtlich geboten. Aber dieses Argument hat in der Vergangenheit trotzdem viele Politiker verunsichert. Da die politische und gesellschaftliche Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis zwar mittlerweile vorhanden, aber noch knapp ist, hätte ein solches Urteil möglicherweise negative Folgen für die geplante Legalisierung.

Als dritte Variante könnte es auch noch sein, dass das Gericht wie 1994 zwar nicht das Verbot des Handels für verfassungswidrig erklärt, aber die Kriminalisierung der Konsumenten noch weiter zurückdrängt als bisher, zum Beispiel indem die Anwendung von Strafrecht auf den Besitz einer geringen Menge für nicht verhältnismäßig erklärt wird. Entsprechend zwiespältig wären die Auswirkungen. Immerhin dürften entsprechende Strafverfahren gegen Konsumenten wahrscheinlich mit sofortiger Wirkung nicht mehr durchgeführt werden.

Hanffreunde warten nun ebenso gespannt auf das Urteil wie die Politiker der drei Regierungsfraktionen.

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Veröffentlicht in PM der Hanf-Organisationen.

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